Die Saison hebt an

Die Netrebko als Lady Macbeth »unter den Linden«, ein neuer »Boris« in Hamburg, der ganze Wagner an der Deutschen Oper, eine Salzburger Festspiel-»Salome« an der Wiener Volksoper – in deutschsprachigen Landen hebt die Saison wieder an…

In Wien hat die Saison qualitativ nicht gerade berauschend angehoben, Mozarts »Titus« als Wiederaufnahme der Flimm-Inszenierung geriet musikalisch höchst problematisch, die erste Premiere an der Staatsoper gilt am 4. Oktober Puccinis »Triptychon«, in seiner Gesamtheit seit Jahrzehnten nicht mehr am Ring zu erleben. Tatjana Gürbaca inszeniert, Musikdirektor Philippe Jordan dirigiert. Anders als in Salzburg im Vorjahr gibt man die drei Stücke in der richtigen Reihenfolge.

Die Volksoper gibt zum Saisonstart wieder einmal Strauss‘ »Salome«, ein Werk, das eigentlich zu groß dimensioniert für das Haus am Gürtel ist. Aber die kaiserliche Zensur hat seinerzeit verhindert, daß Direktor Gustav Mahler die Wiener Erstaufführung an der Hofoper herausbringen konnte, also hatte das damals sogenannte Kaiserjubiläums-Stadttheater den Vorrang. Die Notlösung wurde zum Stolz der Volksopern-Historie – in jüngster Zeit gab es schon in der Ära Robert Meyers eine »Salome«-Produktion;…

DVD der Salzburger Inszenierung mit C. Malfitano

…und nun holt man Luc Bondys einsige Salzburger Festspielproduktion in den allerdings sehenswerten Bühnenbildern Erich Wonders an den Gürtel. Premiere ist am 15. September.

Neumeiers »Endstations Sehnsucht« kehrt in Hamburg ins Repertoire zurück.

Sehnsucht in Hamburg

Hamburg startet mit einer Neuinszenierung von Mussorgskys »Boris Godunow« durch Frank Castorf unter Kent Naganos Leitung mit Alexander Tsymbalyuk in der Titelpartie. Gespielt wird die karge Erstfassung, die noch ohne den glanzvollen »Polenakt« auskommt.

Premiere ist am 16. September

Wieder ins Repertoire aufgenommen werden John Neumeiers Balleett »Endstation Sehsucht« nach Tennessee Williams (17. September) und Savatore Sciarrinos im Mai uraufgeführtes Klangtheater »Venere e Adone«.

Wagner I – X in Berlin

Die Deutsche Oper Berlin suggeriert zunächst eine italienische Stagione: Wer das Programm des Hauses studiert, stößt auf zwei Rossini-Opern, auf zweimal Puccini und die Opern-Zwillinge Cavalleria rusticana und Bajazzo – aber der Schein trügt: Wie schon zuvor des öfteren bietet man an der Deutschen Oper in der eben angelaufenen Saison sämtliche vom Komponisten für die Bayreuther Festspiele »kanonisierten« Musikdramen Richard Wagners! Der Wagner-Zyklus umspannt die gesamte Spielzeit. Der »Ring des Nibelungen« im Mai und Juni, »Tristan und Isolde« im Juni und Juli bilden das große Finale. Zuvor gibt es die fünf anderen Werke, beginnend mit dem »Fliegenden Holländer« am 28. und »Lohengrin« am 29. Oktober.

ZUM WAGNER-SPIELPLAN DER »DOB«

DIE NETREBKO ALS LADY MACBETH

»Unter den Linden« im Osten der Stadt gibt man sich derweilen Mühe, gegenüber den politisch korrekten Skeptiker zu begründen, warum man Anna Netrebko als Verdis Lady Macbeth engagiert hat. Das Publikum hat die Antwort auf die Debatte längst gegeben: Die Vorstellungen mit der Diva im luxuriösen Rahmen mit Luca Salsi in der Titelpartie und Ferruccio Furlanetto als Banco sind so gut wie ausverkauft. Erste Vorstellung der Serie ist am 15. September.

»Macbeth« in Berlin

Man kann es kaum erraten. Es handelt sich um eine Szene aus »Aida«…

München wartet

Die Münchner Opernfreunde müssen hingegen noch ein wenig warten, bis die Opernspielzeit anhebt. Das Bayerische Staatsorchester ist gerade auf Tournee, ehe sich am 21. Oktober der Vorhang über einer der letzten vernünftigen Inszenierungen hebt, die nach dem Regietheater-Kahlschlag der Ära Bachler im Nationaltheater verblieben sind: Lina Wertmüllers »Carmen«, diesmal mit Aigul Akhmetshina in der Titelpartie und Stephen Costello als Don José.

Bis 15. September zeigt die Bayerische Staatsoper auf ihrem TV-Kanal noch die neue »Aida«-Produktion vom Mai dieses Jahres. Welcher Geist mittlerweile auch in München herrscht, ist daran abzulesen, daß man auf der Homepage der Münchner Oper, aber auch bei Youtube allerhand über die Inszenierung Damiano Michieletto findet, der die Produktion mit Kriegs-Videos aller Art ausstaffiert hat. Versuchen Sie aber einmal, herauszufinden, wer an dem Abend gesungen hat…

Die erste Premiere der neuen Spielzeit gilt in München Mozarts »Figaros Hochzeit« mit Elsa Dreisig als Gräfin, Louise Alder als Susanna und Konstantin Krimmel als Figaro. Es inszeniert der kasachische Regisseur Evgeny Titov, dessen Karriere als Schauspieler in St. Petersburg begonnen hat: Regie hat Titov in Wien am Reinhardtseminar studiert, inszeniert hat er auch schon in Linz. Die Hoffnung aus dem von Klaus Bachler verursachten Regietheater-Schlamassel wieder herauszukommen, haben die Münchner Opernfreunde freilich großteils längst aufgegeben. Hören kann man immerhin weltweit, was sich musikalisch bei dieser Neuinszenierung ereignet, denn Bayern 4 Klassik überträgt live.

Puccinis Schwalbe in Zürich

Die Zürcher Oper startet mit Giacomo Puccinis einzigem Versuch im Genre Operette: »La rondine« (Die Schwalbe) hat am 17. September Premiere. Ermonela Jaho und Benjamin Bernheim geben die Hauptpartien in der Neuinszenierung durch Christof Loy. Das Blocksystem macht’s möglich: Bis Ende Oktober steht das selten gespielte Stück acht Mal auf dem Programm.

Linz beginnt mit dem »Freischütz«

Das Landestheater Linz wagt sich an Carl Maria von Webers »Freischütz«, einst ganz selbstverständlich Teil des Repertoires, heute mit Jägerchor, Jungfernkranz und Gespensterromantik längst »verdächtig« als politisch inkorrekt. Über die alten Klischees haben sich längst neue gelegt – vielleicht gelingt es Dirigent Markus Poschner und Regisseur Hermann Schneider, das Werk endlich wieder einmal auf seinen wahren Gehalt hin zu befragen… Premiere ist am 23. September.

Besonders mutig gibt sich das Stadttheater Klagenfurt: Zwei Spätwerke von Theatergiganten prägen den Spielplan: Shakespeares »Sturm« und Wagners »Götterdämmerung«. Die Neuinszenierung des finalen Dramas der »Ring«-Tetralogie stellt eine besondere Herausforderung für die Kräfte im kleinen, aber schönen Haus in der Kärntner Landeshauptstadt dar – wobei sie nicht die letzte »Ring«-Premiere in Klangefurt sein wird: Die Produzenten hören auf Wagners Musik und die nach der Katastrophe aufkeimende Liebesmelodie: Die »Götterdämmerung« endet mit einem Signal zum Aufbruch in eine bessere Welt – folgerichtig bedeutet sie nicht ein Ende, sondern einen neuen Anfang: Die letzte Premiere des Zyklus im Stadttheater wird denn auch dem »Rheingold« gelten…