Gefährliche Blumenspenden
Dem heutige Floristen-Jubeltag ließen sich mannigfaltige Opern-Klänge unterlegen, die allerdings des Öfteren doppelbödig anmuten.
Welche Oper sollte eigentliche heute auf allen Spielplänen stehen, am Valentinstag? Der „Rosenkavalier“? Eher nicht. Der ist ja schon eine typische Dekadenzerscheinung des vorvorigen Fin de Siècle und überreicht eine Kunstblume aus reinem Silber.
ARABELLA
Wertvoll, zweifellos, aber duftend nur deshalb, weil „ein Tropfen persischen Rosenöls dareingetan“ wurde. Echte Rosen legt Hugo von Hofmannsthals Titelheldin „Arabella“ hingegen achtlos beiseite, wenn sie vom falschen, dem ungeliebten Verehrer stammen – dem Vorgang hat Richard Strauss freilich ein prägnantes Thema beigesellt, das im Folgenden noch eine bedeutsame Rolle im psychologischen Geflecht der Musik spielen wird.
TÖDLICHER DUFT
Die akustische Blumenspende ist, opernhistorisch betrachtet, die sicherere Version. Denn vom Blumenduft kann tödliche Gefahr ausgehen. Denken wir an die Veilchen aus Cileas „Adriana Lecouvreur“. Henze schrieb gar eine „Elegie für junge Liebende“, denen die Suche nach einem Edelweiß zum Verhängnis wurde.
Werden Blumen hingegen lediglich besungen, ist das meist weniger gefährlich. Wunderbare Frauen-Duette sind Blütenblättern gewidmet. In Puccinis „Madame Butterfly“. Und in Léo Delibes‘ „Lakmé“, bekannt aus der Lebensmittelwerbung; jeder kann es nachsingen ohne zu wissen, wer diese Musik komponiert hat.
MOZART UND SHAKESPEARE
In einem der zauberhaftesten Momente der Operngeschichte singt Mozarts „Figaro“-Susanna ihre „Rosenarie“. Näher an Shakespears floristischem Dogma war die Musik nie: Tatsächlich ist egal, wie ein Ding heißt, das dermaßen duftet – und, muss man diesfalls ergänzen – das so klingt!
Für Verdis „Traviata“ sind wiederum Kamelien von Symbolwert. Wie für Bizets Don José jene Blume, die ihm Carmen zuwirft. Dergleichen Popularität hätte sich Hans Pfitzner für seine – musikalisch hoch bedeutende – „Rose vom Liebesgarten“ nur wünschen können. Gefährlich wird es wieder, sobald Wagners „Parsifal“ von Blumen in Mädchengestalt umgarnt wird, bereiten diese doch den unheilvoll-verführerischen Auftritt der „Höllenrose“ Kundry vor.
MODERNER »NARZISS«
Im Übrigen nahm Opernbühne von botanischen Wunderdingen eher Abstand. Ovids so poetisch erzählte Verwandlung des Narziss in die später nach ihm benannte Blume weckte erst in jüngster Zeit wieder musikalische Begehrlichkeiten. War doch schon die Metamorphose der Daphne in einen Lorbeerbaum schwer darzustellen. Wie sollten Regisseure den Tenor in ein schon auf ein paar Meter Entfernung nicht mehr sichtbares Blümchen verwandeln?
Christoph Willibald Gluck umging das Problem in seiner allerletzten Oper, „Echo und Narziss“, und ließ den Apollo ex machina das Liebespaar gegen alle mythologischen Reglements vereinen. Die Geschichte wurde als Vorlage für musikalische Werke erst wieder in unseren Tagen populär. Zeitgenössische Komponisten von Jay Schwarz bis Beat Furrer sind ja gewöhnt, dass auf der Bühne nichts mehr geschieht, wie es im Büchel steht – und schenken denn auch einem „Narcissus“ nicht unbedingt Musik, die blumige Assoziationen weckt. Zu St. Valentin bleiben uns ja „duftige“ Liede – vom „Veilchen“ bis zu den „Mädchenblumen“ …